02. Merak

Das Theater sollte so sein, wie die Kinder es wollen. Ich wollte ein Theater schaffen, in dem sich schon während der Proben jeder vergnügt. Es gab keine Konkurrenz und keine Elite. Die Rollen entstanden von selbst oder wurden in unmittelbarer Nähe zum Thema vergeben. Wir hatten keine Hauptdarsteller*innen und keine klare Rollenverteilung. Daher nahm "Merak" die Form eines Gefäßes an. Dies ist ein nachhaltiges Modell des Theaters.


Yulia Tsvetkova

April 2018
Das aktivistische Jugendtheater "Merak" begann seine Arbeit in Komsomolsk am Amur. Die Gründerin und Direktorin war Yulia Tsvetkova. Die Administratorin war ihre Mutter Anna Khodyreva. Kinder und Jugendliche von sechs bis 17 Jahren spielten in diesem Theater. Die Aufführungen fanden sowohl in russischer als auch in englischer Sprache statt.

  • Das Wort "Merak" kann aus dem Serbischen mit "Lust" und "Freude an den kleinen Dingen des Lebens" übersetzt werden. Es kam aus dem Türkischen ins Serbische, wo "merak etmek" "sich Sorgen machen" und "interessiert sein" bedeutet.
  • Anna Khodyreva betont, dass das "Merak" eine horizontale Struktur ohne Hierarchien hatte. Das bedeutet, dass die Schauspieler*innen ebenso wie die Regisseurin an der Erstellung der Produktionen und an organisatorischen Angelegenheiten beteiligt waren. Das Thema der Aufführungen wurde mit Rücksicht auf Probleme gewählt, die die Kinder und Jugendliche für beachtenswert hielten. Daher war "Merak" in erster Linie ein aktivistisches Theater. Während der Proben suchten Schauspieler*innen nach Problemlösungen und während der Aufführungen nahm auch das Publikum an dieser Suche teil.
  • Das Theater "Merak" hat innerhalb eines Jahres neun Stücke zu verschiedenen aktuellen sozialen Themen aufgeführt, etwa zu Geschlechterstereotypen, Mobbing, Kritik an der Kultur der Aggression und militärischer Propaganda.
  • Zu den Aufführungen des Theaters gehörten die Tanzminiatur "Das Frühlingsopfer" über den Prager Frühling von 1968, eine Aufführung über die Gefahr von Waffen ("Segne den Herrn und seine Munition") und eine Aufführung über Mobbing ("Die Unberührbaren").

Text: Anna Laletina

Quellen: Interviews mit Anna Khodyreva, OVD-Info, Mediazona, Takie Dela


DAS AKTIVISTISCHE JUGENDTHEATER «MERAK»

Am 7. April 2018 wurde das Theater “Merak” gegründet, am 30. Juni 2019 - geschlossen.

Yulia hat das Theater von sich abgeschnitten, weil es ihr weh tut. Das ist ihr Kind, und deswegen schreibe ich über das Theater, nicht sie. Das ist wie eine gestohlene Katze. Als unsere Katze nach Yulias Hausarrest gestohlen wurde, haben wir nicht mehr über die Katze geredet und nicht an sie gedacht. Als ob sie gestorben sei. So ist es leichter, sonst macht man sich zu viele Gedanken.

Anna Khodyreva



Die Geschichte vom "Merak" ist wie ein ganzes Leben

Die fängt noch von der Gründung des Theaters an. Um uns etwas zu merken oder zu verstehen, haben wir immer Impro-Theater gemacht. Die Gruppe der Kinder und Jugendlichen war divers, die Teilnehmer*innen wechselten ständig. Die Improvisationen machte man in Gruppen. Yulia gab einfach die allgemeine Richtung vor an und die Kinder bestimmten selbst, was sie dazu entwickelten.

Am Anfang gab es den Kurs "Theatralisches Englisch". Alle spielten und nutzten die Gegenstände, die sie im Raum zur Verfügung hatten. Bühnenbilder und Kostüme haben wir nicht extra angefertigt. Da alles in Englisch war, und wir alle Englisch nicht so gut konnten, haben wir viel unsere Gefühle zum Ausdruck gebracht. Die sprachliche "Einschränkung" hat uns gezwungen, uns mehr dem eigenen Körper, unseren Händen und unserem Gesicht zuzuwenden. Die Spielenden zeichneten viel und benutzten Bilder in ihren Präsentationen. Im Prozess haben wir immer viel diskutiert.

Wir brachten den Kindern nicht bei "was richtig ist und wie man was machen muss", wir bestärkten die Kinder darin, an sich selbst zu glauben und selbst zu verstehen, was für sie das Richtige ist.

In dem Kurs "Theatralisches Englisch" haben sich viele sich von dem Stigma "Ich werde nie Englisch können" befreit. Theatralisches Englisch hat auch einen Konflikt zwischen den Eltern und ihren Kindern aufgezeigt. Die Erwachsenen wollten, dass Englisch mit Hausaufgaben, mit unregelmäßigen Verben, am Tisch Sitzen und Lehrbüchern verbunden ist, die Kinder wollten auf eine spannende Art ohne Paukerei Englisch lernen. Mit unserer Art sind wir angeeckt und einige Eltern schickten ihre Kinder stattdessen lieber in klassische Sprachzentren. Es schien, als könnten die Erwachsenen nicht daran glauben, dass Lernen leicht, spannend und interessant sein kann.

Wir haben auch viel draußen gemacht. Wir haben immer verschiedene Räume in unserem Prozess genutzt. Wir luden verschiedene interessante Menschen ein, hauptsächlich Verwandte, damit sie uns etwas über ihre Arbeit oder ihr Studium erzählten.

Alle unsere Kinder hatten viel zu tun. Viele hatten Nachhilfe und besuchten verschiedene Kurse. Malen hielten die Eltern für unnötig und erlaubten ihren Kindern deswegen nur sonntags unseren Kurs zu besuchen. Wir nutzten das voll aus: zwei Stunden in Design und Englisch und eine Stunde - Tanz, damit wir keine Probleme mit den Eltern hatten, die für einen Tanzkurs nicht hätten zahlen wollen, weil sie Tanz für unwichtig halten. Der Geldbetrag für den Kurs war symbolisch: 200 Rubel (ca. 2,50 Euro). Die Grundlage für unseren Tanzkurs war eher Kontaktimprovisation. Den Kindern fehlen Berührungen: einfach mal auf dem Teppich oder aufeinander zu liegen, auf den eigenen Körper zu hören, zu hören, wie die Beine sprechen, wie sich die Knie anfühlen; sich mit den eigenen Anspannungen zu beschäftigen, zur verschiedener Musik neben deinen Freund*innen tanzen. Oft machten Yulia und ich mit und bewegten uns alle zusammen.
«Frühlingsopfer»
Alle unsere Stücke waren über uns und wir hatten über für uns wichtige Themen geredet
"Frühlingsopfer" war unser Anfang. Davor haben wir fast ein Jahr einmal pro Woche eine Stunde getanzt. Eine Bekannte von Yulia hat uns zu einer Veranstaltung eingeladen, weil sie nicht genug Teilnehmer*innen hatte. Kurz vor dieser Veranstaltung hatte sie einen Konflikt mit ihren Kolleg*innen gehabt. Emotional ging es ihr nicht gut und Yulia wollte sie mit unserem Auftritt unterstützen.

Yulia hat den Kindern das alte Ballettstück "Frühlingsopfer" von Sergej Djagilew gezeigt, dann einfach die Musik eingeschaltet und gesagt: "Probiert!". Es gab nur drei Proben, sehr wenig Zeit. Wir probierten uns aus, suchten danach, was alle machen können und wollen, schauten, was möglich ist, wenn wir Altersunterschiede und verschiedene Körpergrößen berücksichtigen, untersuchten auch, wie wir das traditionelle Ballett als Grundlage nutzen können und als etwas "Russisches", was die Kinder verstehen und können. Sofort kam die Idee mit den weißen Hemden. Wir hatten wenig Zeit, deswegen bin ich losgegangen und habe Stoff gekauft. In anderthalb Tagen hatte ich alle Kinder angezogen.

"Frühlingsopfer" ist gelungen. Es gab viele Zuschauer*innen, die es nicht verstanden haben, man muss den Kontext kennen und lernen zuzuschauen. Die Kinder waren begeistert, dass wir etwas zusammen geschaffen hatten, dass sie tief in die Komplexität des Stückes einsteigen konnten und, dass ihre Stimmen gehört wurden. Nach der Aufführung hat die Mutter von S. gesagt: "Wozu hatten Sie S. nach vorne gestellt? Sie ist dick und das sah schlecht aus". Insofern waren alle Auftritte zusätzlich eine Art der Therapie. Dank des Theaters haben wir verstanden, dass sich fast alle Kinder für ihre Körper schämten.

Unsere "Frühlingsopfer" war dazu noch eine historische Inszenierung über den "Prager Frühling" 1968, als es in der Tschechoslowakei mit den Reformen losging und Meinungsfreiheit entstand. Soweit wollte man es aber nicht kommen lassen und schickte Panzer in die Tschechoslowakei, die die einfachen und freien Menschen gnadenlos überfahren haben. "Frühlingsopfer" ist unsere Befreiung, unser Beitrag zu diesem Thema.

Die Kinder wissen, dass sie schneller und aktiver lernen könnten, wenn es Gesetze zum Schutz gegen Mobbing und Gewalt gäbe.
AKTIVISMUS UND THEATER
Aktivismus ist ein Gebot der Menschlichkeit
Die Lehrer*innen sagen den Kindern und Jugendlichen: "Es ist so und man darf nichts dagegen machen, sei zufrieden mit dem, was du hast". Aber in der Realität sehen sie was anderes. Die Lehrer*innen in der Schule sagen: "Lernt richtig - dann wird alles gut". Und die Kinder sehen: die Lehrer*innen leben nicht gut.

Aktivistisches Theater ist ein Theater, in dem es eine klare Positionierung gibt. Vor drei Jahren ist Yulia Feministin geworden, sie hat Frauenthemen ins Theater gebracht. Ich habe die realen Frauen, Mütter, gesehen und ich war erstaunt, wie schlecht die Kinder über ihre Mütter denken. Deswegen haben wir angefangen, Videos über die Mütter zu machen, die Mütter zu malen, die Mütter zu bitten, etwas über sich selbst zu erzählen. So ist das Projekt "Verschiedene Mütter sind wichtig" entstanden. Und das ist eben eine klare aktivistische Positionierung.

Die Kinder brauchen aktivistische Kunst, Theater, Performance. So erschienen sie sich eigenes Denken und Interagieren. Yulia hat den Kindern ein Instrument zum Ausdruck gegeben. Theater ist ein Instrument des Ausdrucks.
Unser politischstes Stück ist "Märchenhafte Märchen - Echte Märchen". Die Protagonist*innen waren aus den russischen Märchen: Koschtschei der Todeslose, Baba Jaga, Bogatyr und so weiter. Die märchenhaften Figuren machen sich Sorgen darüber, dass die Kinder die russischen Märchen nicht kennen, sich nicht an sie erinnern. Das sind die "märchenhafte Märchen". Aber die Protagonist*innen haben auch ihr eigenes Leben: Alltag, Familie, Schule, Prüfungen, Hypotheken, Wahlen - all das, was sonst in all unseren bekannten Geschichten hinter den Kulissen bleibt. Die Performance war auf Englisch. Der Geheimdienst kam. Wegen den schlechten Englisch haben die Geheimdienstmitarbeiter die politische Seite des Stückes nicht verstanden.

Die Performance "Festnahme der Regisseurin" ist auch ein politisches Statement und eine zivilgesellschaftliche Positionierung der Kinder.

Ich hatte die Kinder gebeten, etwas für Yulia zu machen, als sie festgenommen wurde. Die Kinder wussten von der Festnahme, die ganze Presse hat sich auf den Kopf gestellt. Die Kinder kannten nur die Details nicht. Aber während der Ausarbeitung der Aufführung, haben sie die Details irgendwie nachempfunden. Ich kannte die Details und lachte mich tot, wie nah Performance an der Realität war. Die Schließung des Theaters ist eine offene Wunde für sie. Diese Performance haben sie alleine auf Englisch entwickelt.
Das Theater Merak war für mich gleichzeitig eine Komfortzone und eine Diskomfortzone .


Warum war es eine Komfortzone?
Es war immer der Ort, an dem ich wirklich ich sein konnte, wo ich Dinge diskutieren konnte, die mich wirklich beschäftigt haben, Fragen stellen und Dinge tun, die mich interessieren. Ich habe im Theater eine Persönlichkeit gezeigt, so wie alle anderen dort auch. Wir hatten Regeln, die sich positiv auf die Kommunikation zwischen uns Schauspieler*innen und der Direktorin des Meraks ausgewirkt haben. Eine Regel war: kein Mobbing. Dadurch, dass wir eine Komfortzone erschaffen haben, konnten wir unser wahres Ich zeigen und über Dinge sprechen, die uns wirklich etwas bedeuten.


Warum war es eine Diskomfortzone?
Ich habe immer neue Rollen, neue Charaktere ausprobiert. Das war immer eine schwierige Aufgabe. Es ist immer einfacher, sich etwas abseits hinzusetzen und zu sagen: "Das fällt mir schwer". Aber Theater ist Arbeit. Die Art von Arbeit, die dich etwas Neues ausprobieren lässt, etwas Unerwartetes, die von dir verlangt, deine Komfortzone zu verlassen. So ging es mir. Dadurch, dass ich meine Komfortzone verlassen habe, verbesserte ich immer meine Fähigkeiten.

Wir hatten viel Spaß während der Proben im "Merak". Manchmal verging eine dreistündige Probe wie eine Minute. Dank des "Merak" bin ich selbstbewusster geworden, ich habe mich und meinen Körper akzeptiert und ein Talent für Auftritte entdeckt. Ich war immer erstaunt und stolz darauf, wie wichtig und dringend die Themen unserer Stücke waren, und wir haben uns dafür nicht geschämt. In unserer Stadt waren wir das einzige Kindertheater, das sich tatsächlich mit den Dingen beschäftigte, die uns wichtig waren - jungen Leuten, den Schauspieler*innen des "Merak". Wir sind oft auf Unverständnis gestoßen, zum Beispiel: Wie können so junge Menschen Stücke mit so schwierigen Themen inszenieren, oder: Warum sprechen junge Menschen überhaupt über diese Themen, diese Probleme sollten nur von Erwachsenen besprochen werden. Ich bin anderer Meinung. Probleme wie Mobbing, Genderstereotype, Gewaltkultur, Erwachsen-Sein, Selbstakzeptanz und Persönlichkeit betreffen junge Menschen genauso sehr. Über diese Dinge zu sprechen, hilft uns, uns selbst zu verstehen.
Sofia Savina, 17 Jahre
Schauspielerin des aktivistischen Kinder- und Jugendtheaters Merak
Die Schließung des Theaters ist ein Tod
Jede*r erlebt dieses anders. Aus einem bunten und ereignisreichen Leben sind die Kinder und Jugendlichen in einer Leere gelandet und allen, einschließlich uns, geht es schlecht.

Das Theater verschwand Stück für Stück.
Die erste Welle der Kinder, die uns verließen, erreichte uns vor dem Festival, als die Polizei in die Schulen der Kinder kam. Ich habe zum ersten Mal gesehen, wie sehr die Jungs weinten, sie hatten Angst, die Angst kam von allen Seiten. Die Geschichte von Yulia dauerte schon seit Monaten, viele Kinder verheimlichten das vor ihren Eltern, erzählten nicht alles. Aber die Polizei hat angefangen, die Kinder zu befragen. Das Verstecken wurde unmöglich. Sofort nach den Befragungen ließen die Eltern sieben Jungs mit dem Theater aufhören. Fast alle, die vor der Premiere gehen wollten, hatten uns Bescheid gegeben. Das war an dem Tag des Auftritts, aber zumindest wussten wir, was passiert war.

Drei solcher Fälle in der ersten Gruppe trafen uns emotional sehr schwer. Zuerst ist ein Junge gegangen, der gerade erst ins Theater gekommen war. Wir standen nicht viel im Kontakt, aber uns war klar, dass er keine einfache Geschichte hatte. Nachdem die Stadtverwaltung unseren zweiten Proberaum weggenommen hatte und er alles der Mutter erzählen musste, hat sie ihm angedroht, dass sie ihn in eine Psychiatrie sperren zu lassen, wenn er mit dem Theater nicht aufhört. Sogar um seine Sachen abzuholen, kam er zusammen mit seiner Mutter. Wir haben ihm geschrieben, dass wir verstehen und akzeptieren, dass er nicht bleiben kann, und die ganze Situation sehr bedauern.

Fotos von uns erschienen in den lokalen Medien, man schrieb und redete über uns. Aus diesem Grund verbaten die Eltern eines Jungen ihm, an den Aufführungen teilzunehmen. Aber er konnte uns nicht mitteilen, dass er geht, und wir verstanden nicht, ob er weg ist oder nicht, bis seine Mutter kam. Sie sagte, dass sie keine Probleme mit dem Theater oder uns hätte, dass wir was Gutes tun, aber vor ihrem Sohn liege eine Karriere. Die Eltern wollen, dass er Geheimdienstmitarbeiter wird. Dabei würde ein schlechter Ruf stören.

Der dritte Fall war am schlimmsten. Das war ein Junge, der sehr viel Zeit im Theater verbrachte, an allen Veranstaltungen teilnahm und ein toller Schauspieler war. Wir wissen nicht, was wirklich alles passiert ist. Seine Eltern erzählten: am Abend vor der Premiere kamen Geheimdienstmitarbeiter zu ihnen und bedrohten die gesamte Familie mit Repressionen, sollte der Junge im Theater bleiben. An dem Tag der Premiere rief man sie jede halbe Stunde an und fragte, ob der Junge zuhause sei.
Als dieser Junge ein halbes Jahr später nochmals von der Polizei zur Befragung vorgeladen wurde und man versuchte, ihn in die Rolle eines Opfers zu zwängen, hielt er stand, gab den Polizisten nicht das, was sie wollten und informierte uns sofort über das Geschehene. Ich denke: die Schließung des "Merak" war für ihn wie die Atombombe auf Hiroshima. Er beschuldigt sich selbst, seine Eltern, die, die im Theater geblieben sind, die Stadtverwaltung und die Polizei. Er wollte sich mit Aktivismus und Tanz beschäftigen. Das war plötzlich nicht mehr möglich. Er musste sein Leben neu ordnen.

Die nächste Welle der Kinder, die uns verließen, war im September - als wir noch wollten, dass das Theater weiterlebt. Der Geheimdienst erschien bei der Arbeit einiger Erwachsener und bat darum, ihre Kinder aus Sicherheitsgründen, aus dem Theater zu holen und ihre Karriere nicht zu ruinieren. Einige Eltern verloren ihre Arbeit. In Komsomolsk am Amur gibt es massenweise Entlassungen, es gibt nichts zu essen, es gibt kein Einkommen. Das Theater ist dann völlig egal. Wenn die Eltern überleben müssen, haben sie keine Zeit für ihre Kinder.

Die letzten Kinder waren weg, als sie verstanden, dass die Presse und die Polizei Yulia nicht in Ruhe lassen.

Die einen haben angefangen, die Polizei und die Stadtverwaltung zu hassen. Die anderen haben Schuldgefühle, weil sie Yulia nicht schützen können. Die Kinder lieben Yulia sehr. Fast alle haben sich entschieden, das Land, wo das Leben eines Menschen so einfach kaputt gemacht wird, zu verlassen.

Wir haben das Theater selbst geschlossen.
Installation von Anna Yudina "Theater verschwand Stück für Stück"
Foto: Katya Romanova
DIE ZUKUNFT DES "MERAK"
Nach der Schließung des Theaters trat plötzlich ein Vakuum auf, als wäre Luft abgesaugt worden. Gestern gab es noch Pläne. Gestern haben wir ein neues englischsprachiges Stück und ein Stück zum Thema Umwelt vorbereitet, und heute herrscht Leere. Wir hatten viel Zeit und wussten nicht, was wir damit machen sollten. Es gibt keinen Ersatz für die Theaterzeit. Dort waren die Kinder wichtig, stark und unentbehrlich. In der Schule sind sie nur Jungen und Mädchen. Die Kinder hatten Zukunftspläne, und als das Theater verschwand, war es, als wäre die Zukunft damit verschwunden.

Wenn das alles vorbei ist (ich glaube daran und viele Kinder und Jugendliche glauben auch daran), möchte Yulia ein "Merak-2“ aufmachen. Wir hoffen, dass es eines Tages ein neues "Merak" geben wird und einige der Kinder in der Lage sein werden, in einer neuen Aufführung zu spielen. Wir dachten auch, es wäre cool, Kinder aus verschiedenen Ländern zu "Blau und Rosa" einzuladen. Dies wären Aufführungen zu unterschiedlichen Problemen, mit denen Kinder und Jugendliche konfrontiert sind.
Werke von Yulia Tsvetkova
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