Ich bin zufällig, über einen Bekannten, ins Kulturhaus gekommen und habe dort dann 21 Jahre gearbeitet. Ich habe nur eine Anzeige in der Zeitung aufgegeben und schon hatte ich genug Menschen für 3-4 Gruppen. Sehr schnell habe ich verstanden, dass “Einfach-So”-Malen für mich nicht interessant ist. Naja, du malst 20 Blumen und dann? Ich liebe Geschichte, verschiedene Wissenschaften. Deswegen ist das Konzept entstanden, enzyklopädisches Wissen durch Malen zu vermitteln. Ich habe verschiedene Informationen gesammelt: über das Weltall, den Ursprung der Dinosaurier, Ägypter, Sumer, Babylon, griechische Mythen… Ich habe gelernt, bildlich und verständlich zu sprechen, nicht wie in der Schule, ich habe verschiedenes Lehrmaterial entwickelt. Sehr schnell formte sich eine Gemeinschaft aus den Eltern: Mütter, die spannendes Wissensvermittlung für ihre Kinder wünschten und keinen Kindergarten wollten. Unsere Kinder hatten Unterricht in Singen, Aerobic, Schwimmen, Französisch, Englisch, Theater und Malen – all das als ein Instrument, um die Welt zu verstehen. Gegessen haben die Kinder im Café, Mittagessen inklusive. So ging das etwa zwei Jahre.
Ich denke, es war für uns alle eine schwere Zeit in Komsomolsk, aber gemeinsam haben wir eine Welt aus Liebe und Abenteuer, verschiedenen Beschäftigungen und sozialen Werten geschaffen.
Wenn nichts anderes anstand, arbeitete ich. Yulia arbeitete mit mir zusammen. Für eine Vierjährige ist es schwer, drei Stunden lang zu malen, deswegen ließ ich Yulia durch das Kulturhaus wandern und auf die Bühne klettern. Yulia fand andere Kinder und trieb sich mit ihnen herum.
Wir machten Theater nicht mit Absicht. Wir haben einfach griechische Mythen inszeniert, um sie uns besser zu merken, oder spielten Weltall-Turnübungen. Seit Yulia vier Jahre alt war, wurde sie gebeten, während unserer Feiern mit den anderen Kindern im Raum nebenan zu spielen, damit die Erwachsenen in Ruhe sitzen konnten. Seit Yulia 6 Jahre alt war, hat sie angefangen, Theater während dieser Feiern zu machen. Die Kinder haben geprobt, die Eltern geredet. Dann lud Yulia alle ein. Wir kamen, schauten zu, lobten und gingen zurück. Yulia arbeitete an einer neuen Inszenierung.
Theater als Kurs mit den anderen Pädagog*innen war sehr klassisch: mit Theaterspielen für das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit und mit Rollenverteilungen. Yulia besuchte diesen Kurs fünf Jahre lang. Ich kann nicht sagen, dass ich es bedauere, aber sie erinnert sich an diesen Ort nicht. Das bedeutet: Es war dort nicht so toll.
Ich versuchte die Schule und das Leben zusammenzubringen, ich sah Yulias super Gedächtnis und die schnelle Lerngeschwindigkeit. Ich dachte an eine diplomatische Karriere und an ein Studium an dem Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO). Wir mussten einen weiten Weg zurücklegen: angefangen bei den Forderungen, ausgezeichnete Noten zu bekommen, bis hin zu der Erlaubnis, die Schule nur noch selten zu besuchen und schließlich dann mit 15 Jahren die Schule ganz abzubrechen. Nun begann Yulia einen professionellen Tanzkurs und lernte Japanisch. Als sie 17 Jahre alt war, schickte ich sie nach Moskau, wo Parkour dazu kam. Dann kamen London und viele Reisen. Fast eine absolute Isolation von den staatlichen Institutionen und ein riesiges Vertrauen von meiner Seite. Die Erlaubnis "erwachsene" Projekte zu machen, acht Sprachen fast parallel, eine bereichernde Umgebung: schließlich hat das Leben gewonnen. Jetzt sehe ich, dass das Leben Yulia hilft, auch in dieser Situation zu überleben.