Im ableistischen Denken ist die Norm und die Abweichung davon der Ausgangspunkt für die Formulierung dessen, was „Behinderung“ ist. Die Norm gilt als „typischer Zustand“ einer Person und wird immer mit Fähigkeiten und Funktionen in Verbindung gebracht.
Kulturelle Einrichtungen waren und sind weitgehend unzugänglich, obwohl derzeit in den meisten von ihnen Richtlinien zur Zugänglichkeit eingeführt werden. Während der Covid-19-Lockdowns wurden die meisten kulturellen Veranstaltungen online verlegt. Dies vergrößerte ihr Publikum, betonte aber gleichzeitig die Ausgrenzung der älteren Menschen, Kinder sowie blinde/sehbehinderte oder taube Menschen, Menschen mit Lernbehinderungen usw. Die meisten von ihnen befinden sich außerhalb der Blase der Online-Kultur. Diese hat die Prozesse des Ausgrenzung, welche schon vor der Pandemie geherrscht haben, vorangetrieben.
Der Begriff der Zugänglichkeit – Schaffung von Räumen und Projekten, die Bedürfnisse unterschiedlicher Menschen berücksichtigen – setzt sich kritisch mit dieser „Normalität“ und Kultur der Fähigkeiten auseinander. Behinderte Künstler*innen und Kurator*innen haben den Begriff der Zugänglichkeit aus der engen Definition befreit. Zugänglichkeit ist eine Absage an die gängigen Hierarchien in Institutionen, deren räumlichen und zeitlichen Lösungen. Der Zugang und die Art und Weise, wie behinderte Menschen mit Zeit und Raum in Beziehung stehen, werden als neue oder außergewöhnliche Vorgehensweisen gestaltet. Kurator*in Noa Winter (Berlin, Deutschland) erinnert uns daran, dass dieser außergewöhnliche Weg manchmal eine Rebellion gegen die ableistischen Erwartungen ist, die an Körper und Geist einer Person gestellt werden.
Zugänglichkeitspraktiken ermöglichen es, Standards und Grenzen zwischen privat und öffentlich, Arbeit und Erholung radikal aufzugeben. Bei der Schaffung von Barrierefreiheit geht es um Vorstellungskraft, Träumen, Denken, Schreiben, Tun. Einige Institutionen laden behinderte Menschen als Zugänglichkeitsexpert*innen ein. Die Tatsache, dass diese Institutionen auf „nicht behinderten Bedürfnissen“ basieren, schränkt jedoch die Vorstellungskraft und die Möglichkeiten behinderter Künstler*innen und Aktivist*innen ein. Die behinderte Schöpferin und Autorin Leah Lakshmi Piepzna-Samarasinha (Toronto, Kanada) beschreibt dieses Problem: „Es gibt immer noch kritisch wenig Raum oder Ressourcen, die uns als behinderte Kreativen unterstützen, Punkt. Und noch weniger, wenn es darum geht, Kunst zu machen, die traditionelles Denken in Kunstpraxis und Kunstformen aus einer Crip-Perspektive betrachtet“.
Die Diskussion „Demokratisierung der Zugänglichkeit“ findet im Rahmen des internationalen Symposiums „Politiken der (Un)Zugänglichkeit“ statt. Teilnehmende aus Polen, Russland und Österreich sprechen über ihre künstlerischen, kuratorischen, aktivistischen Praktiken und hinterfragen die traditionelle Normalität des Kultursektors aus einer behinderten Perspektive. Diese Diskussion bietet die Gelegenheit, Lokalität der Arbeit in einem breiteren Kontext zu verstehen und ein transnationales Unterstützungsnetzwerk weiter aufzubauen.
Die Form des Treffens wird dem Thema der Debatte entsprechen, daher die Vielfalt der Sprachen und Übersetzungen und die mehrstufige technologische Unterstützung. Die Podiumsteilnehmer*innen benutze ihre Alltagsprachen: polnische, russische, deutsche Lautsprachen und Polnische Gebärdensprache (PJM). Die gesamte Veranstaltung wird ins Polnische und PJM übersetzt, ebenso werden Untertitel in Russisch und Deutsch in der Postproduktion hinzugefügt.
Es gibt keine Übersetzung in einfacher Sprache.